NEUE ÖKOLOGISCHE CHEMIEFASERN

TEXT Clara Wörsdörfer

 

Bei nachhaltiger ökologischer Kleidung denkt man zuerst an Kleidung aus Naturfasern. Inzwischen werden innovative umweltfreundliche Chemiefasern entwickelt, die ökologisch unbedenklicherer Mode ein neues Gesicht geben!

 

Kleidung aus Baumwolle, Leinen, Wolle oder Seide assoziieren unwissende Käufer_innen mit „ökologisch nachhaltig“. Aber tatsächlich kann auch Kleidung aus natürlichen Fasern heute schwer belastet sein mit schädlichen Chemikalien, die zu Hautirritationen und Allergien führen. Gerade der Anbau von konventioneller Baumwolle ist oft lebensgefährlich. Geschundene Hände und verätzte Lungen sind die Folgen, wenn chemische Pflanzenschutzmittel oft unsachgemäß beim Anbau von Baumwolle eingesetzt werden. Nicht zu vergessen ist der extrem hohe Wasserverbrauch, der für die Baumwollgewinnung erforderlich ist und zur Verödung ganzer Landschaften führt. Doch was tun, wenn der weltweite Bedarf an Kleidung immer größer und der intensive Anbau von Baumwolle immer problematischer wird? Es gibt inzwischen Alternativen zu der beliebten Baumwolle: die Chemiefasern. Doch gerade bei Chemiefasern denkt man nicht in erster Linie an ökologische Textilien! Oder geht das doch?

Ökologische Chemiefasern aus natürlicher Zellulose
Bereits 1892 patentiert, sind halbsynthetische Regeneratfasern aus Zellulose schon lange als Kunstseide oder Viskose bekannt und gelten als preiswerte Alternative zur echten Seide. Auch wenn der Rohstoff aus nachwachsendem Holz besteht, so ist der herkömmliche Herstellungsprozess durch die Verwendung von Kohlenschwefelstoff und Kohlenwasserstoff umweltschädlich und ungesund. Wenn sogar billiges Altholz als Quelle für die Zellulose verwendet wird, können auch giftige und heute verbotene Holzschutzmittel in die Textilien gelangen. Um diese Probleme zu lösen, entwickelte die Firma Lenzing aus Österreich ein umweltfreundliches Verfahren. Bekannt unter dem generischen Namen Lyocell wird diese neue ökologische Regeneratfaser aus Zellulose von Lenzing unter den Markennamen TENCEL® und Modal® vertrieben. Für TENCEL® dient europäisches Buchen- oder FSC-zertifiziertes Eukalyptusholz als Rohstoff. Diese Fasern werden in einem geschlossenen technischen Kreislauf unter Verwendung von ungiftigen organischen Lösungsmitteln hergestellt, die anschließend wieder verwendbar bzw. zu 100 % kompostierbar sind. Diese preiswerte und umweltschonende Zellulosefaser ist eine gute Alternative zu Baumwolle. Denn die Hektarerträge für Holz als Rohstoff sind bis zu viermal höher als die von Baumwolle. Außerdem kann der Holzanbau in der Regel auf künstliche Bewässerung und Pflanzenschutzmittel verzichten. Allerdings ist der extensive Plantagen-anbau von Eukalyptus sozial und ökologisch umstritten.

Eine weitere innovative Zellulosefaser stammt aus dem Meer und wird von der Firma Smartfiber AG unter dem Markennamen SeaCell® vertrieben. Die Basis dieser Faser sind Braunalgen aus nachhaltigem Anbau in Island. Die getrockneten Algen werden als Pulver weiteren Rohstoffen aus Zellulose beigemischt und im Lyocell-Verfahren zu hautfreundlichen Fasern verarbeitet. SeaCell® wird für ihre heilende Wirkung gepriesen. Durch ihren hohen Anteil an Mineralien, Antioxidantien und Spurenelementen beschleunigen Textilien aus SeaCell® die Heilung von Hautentzündungen und schützen die Haut vor freien Radikalen. Deshalb wird SeaCell®-Kleidung im medizinischen Bereich angewendet und auch als Anti-Aging-Kleidung vermarktet.

Weich wie Seide – eine neue Faser aus entsorgter Milch
Noch ganz jung ist die Produktion von der Faser QMILK®, die Anke Domaske im Jahr 2014 in ihrer Firma Qmilch begann. Nach dem Konzept der weißen Biotechnologie entwickelte sie aus Milch kostengünstig und ökologisch eine Biopolymer-Faser. Um den Rohstoff braucht sich die junge Unternehmerin aus Hannover keine Sorgen zu machen. Denn jedes Jahr entsorgt Deutschland zwei Millionen Liter Milch. Damit könnte man laut Qmilch etwa 240 Millionen T-Shirts herstellen. Die Eigenschaften von Textilien aus QMILK® ähneln sehr der natürlichen Seide: Sie haben einen seidigen weichen Griff und nehmen Farbe leicht auf. QMILK® kann auch für Funktionskleidung verwendet werden, denn sie ist antibakteriell und bietet natürlichen UV-Schutz. QMILK® ist sehr umweltfreundlich, weil die Faser in der Produktion kaum Energie und sehr wenig Wasser verbraucht sowie komplett kompostierbar ist. Für die Herstellung von einem Kilogramm Faser benötigt man nur fünf Minuten und zwei Liter Wasser. Ein Vergleich: Für den Anbau von nur einem Kilogramm Baumwolle werden im Durchschnitt 11.000 Liter Wasser eingesetzt, in Indien sogar über 23.000 Liter.

Fleecejacken aus Plastikflaschen
Selbst synthetische Chemiestoffe können zu nachhaltigen Fasern werden, wenn man sie recycelt. Die japanische Firma Teijin hat ein Verfahren entwickelt, das Stoffe aus Polyesterfasern wiederholt recyceln kann, ohne dass sie dabei an Qualität verlieren. PET-Plastikflaschen, die sonst im Müll landen oder unsere Meere verschmutzen, können heute zu Polyesterfasern umgewandelt werden. Dadurch kann man auf den endlichen Rohstoff Erdöl verzichten, der sonst unter sehr großem Energieaufwand für die Herstellung von Polyester verwendet wird. Polyester benötigt 25-mal weniger Wasser als der Anbau von Baumwolle. Aus etwa 25 PET-Flaschen kann eine neue Fleecejacke entstehen. Allerdings verliert Fleece aus Polyester beim Waschen noch zu viele kleine Fasern, die wiederum durch Abwässer in die Weltmeere gelangen. Ein Problem, das noch gelöst werden muss.

Nicht alle Chemie ist gefährlich. Auch hier gibt es immer mehr Verfahren, die die Umwelt schützen und unsere Gesundheit erhalten können. Vielleicht finden wir schon bald Kleidung aus umweltfreundlichen Chemiefasern in unseren Kleiderschränken! Es wäre auf alle Fälle ein Weg in die richtige Richtung!

 

Stand 2016