Bio-Baumwolle bringt Bildung
Produktion in Asien geht auch anders. Purecotz etabliert einen neuen Standard
TEXT: Lara Grobosch & Allegra Isert
140 Arbeitsschritte sind für die Herstellung eines Hemdes nötig. Unter verheerenden Be- dingungen arbeiten in großen Teilen Indiens Textilfachkräfte auf Bauernhöfen, Spinnereien, Färbereien und Nähereien. Und das zu erbärmlichen Löhnen. Nur wenige Firmen setzen sich für Veränderungen der Produktionsbedingungen ein. Ein positives Beispiel ist da Purecotz ecolifestyles: Die Textilfabrik versucht, die Nachhaltigkeit im Textilbe- reich voranzutreiben.
Das Unternehmen Purecotz hat seinen Sitz in Umbergaon – einer kleinen Küstenstadt 150 Kilometer nördlich von Mumbai. 450 MitarbeiterInnen beschäftigt Gründer Amit Narke. 450 ArbeiterInnen, die pro Jahr eine Million Textilartikel aus Biobaumwolle herstellen. Seit 2000 verarbeitet die Firma zu 100 Prozent organische Fasern. Qualität und ein fairer Umgang mit Mensch und Natur sind fester Bestandteil der Philosophie von Purecotz. Viele nachhaltige Marken aus den USA, Großbritannien und Deutschland lassen ihre Produkte in der Fabrik fertigen. Zu ihren bekannten Kunden zählen Labels wie Johnson & Johnson, Stella McCartney, Melawear und dm. Nachhaltigkeit setzt sich durch – auch außerhalb der Grenzen von Europa.
Nachhaltigkeit muss auch sozial sein
Dass Indien durchaus nachhaltig und fair produzieren kann, zeigen Geschäftsführer Amit Narke und Textilarbeiter Hasmukh Dhodi. Gemeinsam kamen sie anlässlich der Fashion Revolution Week im April 2018 nach Deutschland – und zeigten sich durchaus kritisch. Laut Narke achten die Nachhaltigkeits-Siegel überwiegend nur auf die ökonomischen und ökologischen Aspekte der Textilindustrie: „Mein Ziel aber war es mit der Gründung von Purecotz zusätzlich die sozialen Umstände zu verbessern.“
Die FabrikarbeiterInnen von Purecotz haben einen strukturierten Arbeitsalltag, mit festgelegten Pausen. Sie arbeiten acht Stunden pro Tag und dürfen maximal zwei Überstunden in der Woche leisten. Es gibt zudem Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlte Urlaubstage, Mittagessen sowie einen Betriebsrat. Zur Zeit erhalten die NäherInnen den gesetzlich vorgegebenen Mindestlohn. Das ist zwar deutlich mehr als in anderen Fabriken, jedoch können damit die Lebenshaltungskosten nicht ausreichend abgedeckt werden. Die Löhne sollen steigen. Auch Sicherheit wird in der Firma großgeschrieben. Die Arbeitsräume sind gut ausgeleuchtet und belüftet. Beschilderte Notausgänge und Fluchtpläne weisen im Brandfall den Weg ins Freie. Angesichts von Sozialabbau und zunehmender Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen reibt man sich als EuropäerIn die Augen.
Eine Chance auf Lebensqualität
Hasmukh Dhodi ist von Beginn an für die Firma Purecotz tätig. In 18 Jahren ist er vom einfachen Arbeiter zum Manager aufgestiegen. Anders als der Großteil der indischen Bevölkerung kann sich Dhodi ein Auto, ein Haus und Bildung für seine Kinder leisten. „Purecotz unterscheidet sich von den anderen Firmen, für die ich gearbeitet habe: Ich bin dankbar für den respektvollen Umgang, das geregelte Einkommen und die Aufstiegschancen.“
Purecotz ist GOTS, Fairtradeund SA8000:2014 zerti ziert. In Zusammenarbeit mit Melawear und Fairtrade zählt Purecotz
zu den ProjektpartnerInnen des neuen Fairtrade Textilstandards. Durch diese Teilnahme möchte die Firma innerhalb von sechs Jahren bis zur Zertifizierung existenzsicherndeLöhne zahlen.
Leider ist Purecotz eine Aus- nahme, nur eine von wenigen Firmen, die sich für faire Produktion einsetzen. In der globalen Textilindustrie steht Nachhaltigkeit noch lange nicht im Vordergrund. Amit Narke wünscht sich einen Wandel von saisonalen zu jährlichen Kollektionen, von kurzatmiger zu zeitloser Qualität und von billigen zu fairen Preisen. Für Amit Narke ist Purecotz durchaus ein Vorbild. Würden sich mehr Unternehmen ein Beispiel an der ökologischen und fairen Philosophie von Purecotz nehmen, könnte das schon bald Realität werden.
Stand 2018
Fotos: Jan Eggers/ JAN TRÄGT GRÜN